GRAŻYNA KANIA

 
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GLAUBE LIEBE HOFFNUNG                                        zurück


GAZETA WYBORCZA, 26.09.05, Warszawa

Zynismus, Hass, Geld

„Glaube Liebe Hoffnung“ von Ödön von Horváth im Teatr Dramatyczny in Warszawa. Das Stück in der Inszenierung von Grażyna Kania ist eine gnadenlose Diagnose einer verkrüppelten Gesellschaft, die vergessen hat, was Glaube, Liebe und Hoffnung sind.

Von Roman Pawłowski

(...) Hätte jemand aus der staatlichen Wahlaufsichtskommission die Premiere am Samstag gesehen, hagelte es Proteste gegen den Bruch der Ruhe vor der sonntäglichen Wahl. Sicherlich gab es keine direkte Agitation, dafür aber eine gnadenlose Diagnose einer zerfallenen, verkrüppelten Gesellschaft, welche die Werte des Titels – Glaube, Liebe und Hoffnung – in Zynismus, Hass und Geld verwandelt hat. Kaum ein Politiker traute sich einen solch radikalen Blick. (...) Grazyna Kania hat das genau verstanden, indem sie aus dem Stück nicht nur das Drama des vereinsamten Mädchens, sondern auch die Analyse des gesellschaftlichen Verfalls herausdestilliert hat. Ihre Vorstellung ist wie ein Rennen am Abgrund. Die Handlung schreitet in gewaltigem Tempo voran, in durchdringendem weißen Licht und einer Stille, die ein ums andere Mal von lärmendem betrunkenen Blues unterbrochen wird. Szenische Effekte finden nicht statt, wie es auch keine schönen Bilder gibt. Das karge Bühnenbild beschränkt sich auf einen, von kaltem Glas eingefassten Steg. Nur aus der offenen Versenkung steigt Dampf, als brodele es unaufhörlich unter der Bühne.

Dieses Brodeln setzt sich in der durch Karikatur und Ironie angeschärften Spielweise fort. In den Protagonisten ist so viel Frustration und Hass angestaut, dass sie sich in jedem Augenblick gegenseitig an die Gurgel gehen müssten. (...) Julia Kijowska, in der Hauptrolle, gibt eines der besten Debüts der letzten Jahre. Die junge Schauspielerin, die eben die Schule beendet hat, stattet Elisabeth mit einer solchen Verzweiflung und Kraft aus, dass sie die Aussage des Stücks verschiebt. Bei von Horváth ist sie ein Opfer der Männerwelt, hier legt sie eine verlogene Realität bloß, was sie mit ihrem Leben bezahlt. (...)

„Glaube, Liebe, Hoffnung“ ist das Warschauer Debüt von Grazyna Kania, die vorher schon in den Danziger Inszenierungen von „Pulverfass“ und „Liebkosungen“ glänzte. Hoffen und Glauben wir, dass das nicht ihre letzte Inszenierung in Warschau gewesen sein wird.                            
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DIDASKALIA 69/05

Ein hysterisches Lachanfall

Von Waldemar Wasztyl

(...) Den Raum (...) strukturiert ein gigantischer Schaukasten. Im zweiten Bild spaziert da drin ein Modell. Ihre freche Gesten und Posen sind eine Unterwäschewerbung. Dieser weißer, steriler Steg hat auch andere Funktionen. Er wird zu einem Schrank in Elisabeths Wohnung. Er wird zu einem Anatomischen Institut und Wohlfahrtsamt. Beide Behörden strahlen Kälte und Undurchdringlichkeit aus. (...) Das Bühnenbild ist sehr sparsam, dient aber hervorragend beim Herausarbeiten scharfer Situationen. (...)
Warschauer Inszenierung endet mit einem Monolog von Klostermayer an der Leiche von Elisabeth. Resigniert stellt er fest: „Ich habe keinen Glück“. Somit endet Kanias Inszenierung mit einem starken Akzent von männlichem Egoismus. (...) Davor noch Elisabeths Agonie, die wird einer ganzen Sammlung komischer Gags entgegengesetzt. Besoffener Vizepräparator versucht ihr, eine künstliche Beatmung zu verabreichen. Mit großer Konzentration und Genauigkeit geht er an die Sache. Die Sekunden vergehen und er krempelt penibel seine Hemdsärmel hoch. Joachim, der kühne Lebensretter, ruft Mami an, prahlt von seinem Sprung ins kalte Wasser und bittet um ein neues Motorrad. (...) Alle beugen sich über die durchnässte und hungrige Frau. Sie haben ihr nicht erlaubt würdig zu leben, jetzt lassen sie sie nicht leicht streben. (...) All das ist sehr lustig. Es ist aber ein seltsames Lachen. Gnadenlos bricht es alle sentimentalen Momente, blockt das Mitgefühl für die Hauptfigur. Wir schauen distanziert auf die Bühne, auf der bewegen sich fieberhaft und grotesk alle Figuren. Wir lachen sie aus, aber gleichzeitig wird uns bewusst, dass die Geschichte sich auf dem Hintergrund von einem traurigen Marsch entwickelt. Er klingt nicht so erhaben, wie der von Chopin, und nicht so freudig, wie der von Strauss. Sein Rhythmus ist unerbittlich und erschreckend real. Wie die realen Regengüsse, die die Bühne übergießen in der finalen Szene im Teatr Dramatyczny.      

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RZECZPOSPOLITA, 26.09.05, Warszawa
Ein gigantisches Wasserfall

Von J.R. Kowalczyk

(...) Grazyna Kania stellte das in einem laborartig sauberen, abstoßend weißen Raum, mit einer Regen imitierenden Dusche vor, die die Bühne im Final unter Wasser setzt. Sie fordert die Schauspieler auf, hauptsächlich zu schreien, was verursachte, dass sich in den Dialogen der Sinn verflüchtigte. Der Schrei auf der Bühne bedeutet etwas, wenn er in sorgfältig ausgewählten Momenten zwei- oder dreimal aufklingt. Dauernd verwendet aber, macht er auf niemanden Eindruck, sondern ermüdet nur das Ohr und schläfert die Aufmerksamkeit des Zuschauers ein. Auf Dezibel zu setzen ist, gelinde gesagt, ein Fehler der Inszenierung.

Die absonderliche Form – weil man auch noch an die Kakophonie der Töne, die quasi progressive gespenstische elektronische Musik erwähnen muss – machte aus dem Werk von Horváth ein kitschiges, Gesellschaftsbildchen. Das erlaubte dem Zuschauer – trotz der großartigen Rolle von Julia Kijowska – auch nicht, sich das Schicksal der Hauptrolle zu gebührend zu Herzen zu nehmen.

 
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